Von Höhepunkt zu Höhepunkt: Geher Nathaniel Seiler startet bei der WM in Doha für den TV Bühlertal

  • 15. Oktober 2019

Es ist nicht einfach in diesen Zeiten, ein ABB-Interview mit Nathaniel Seiler zu arrangieren.

Der Geher aus Baden-Baden, der für den TV Bühlertal startet, hat seit Jahresbeginn intensiv trainiert, zunächst in einem Trainingslager in Südafrika, später in Mexiko, jüngst in Bulgarien.

Endlich ist doch ein Termin gefunden – kurz vor einem weiteren Höhepunkt in Seilers Karriere: Er hat sich beim Europacup im Mai für die bevorstehende Leichtathletik-WM in Doha qualifiziert.

„Wir fliegen am 25. September, der Wettkampf ist drei Tage später“, erzählt der 23-Jährige.

Er wirkt, so kurios das klingen mag, überaus entspannt; vermutlich hat er zwischen der totalen Anstrengung und der absoluten Ruhe ein ideales Gleichgewicht gefunden. Den anstrengenden Part umschreibt er wie folgt: „Ich bin heute morgen zum Beispiel fünf Mal vier Kilometer gegangen, nach einer Mittagspause weitere zehn Kilometer zum Auslaufen.“ Mindestens acht Stunden Schlaf in der Nacht und ein ausgiebiger Mittagsschlaf seien ein Muss, um sich zu generieren. Weilt der Sportsoldat nicht im Ausland, in der Schwarzwaldkaserne Todtnau Fahl oder bei den Eltern in Baden-Baden, trainiert er mit seinem Heimtrainer Robert Ihly beim Olympiastützpunkt Freiburg, wo ihm ein Zimmer zur Verfügung gestellt wird. „Olympia“ ist denn auch ein wichtiges Stichwort: Nach der WM wird Seiler etwa eine Woche pausieren – und das Training dann erneut mit ganzer Kraft angehen, denn im Sommer stehen die Olympischen Spiele in Tokio an.

Das ist der derzeitige Horizont des Sportlers, der im neuen Jahr erneut Trainingslager absolvieren wird. Diese finden in höheren Lagen – bis zu 3000 Metern – und zumeist heißen Regionen statt, wie er berichtet. „Der Trainingseffekt ist dort deutlich höher, weil der niedrige Luftdruck dazu führt, dass der Körper weniger Sauerstoff erhält und mehr rote Blutkörperchen bildet.“

Für Doha, extrem heiß und feucht, fühle er sich daher sehr gut vorbereitet.

„Obschon wir erst um 23.30 Uhr starten, dürfte die Temperatur noch sehr hoch sein.“

Mit „wir“ meint Seiler das Geher-Trio, das für Deutschland gesetzt ist: Qualifiziert haben sich sein langjähriger Wegbegleiter Carl Dohmann sowie ein Geher aus Erfurt.

Nach der internationalen Weltklasse gefragt, nennt Seiler einen Franzosen: Yohann Diniz, Jahrgang 1978.

„Er ist ein absolutes Ausnahmetalent und geht Zeiten, in deren Nähe wohl keiner von uns je gelangt – auch nicht, wenn wir das Idealalter für Geher erreichen, das etwa bei 30 Jahren liegt.“

Übrigens wird Seiler neben Profipersonal wie Trainern und Physiotherapeuten auch vom ehemaligen Geher Jürgen Brügel vom TV Bühlertal begleitet, der gemeinsam mit seiner Ehefrau den „vermutlich einzigen“ Fanclub am Rande der Strecke stellen wird, wie Seiler lächelnd bemerkt. Er freut sich über den emotionalen Beistand, sieht sich ohnehin dem Verein zu großem Dank verpflichtet, ebenso der Bundeswehr und dem Hauptsponsor, der Firma Schöck.

„Ohne sie wäre meine sportliche Karriere nicht zu finanzieren“, unterstreicht er. „Auch meine Eltern haben sehr viel investiert. Nicht zuletzt Zeit!“
Ein Leben nach dem Sport kann Seiler sich momentan noch nicht so recht vorstellen. Während Dohmann in den Sportjournalismus ging, liebäugelt er mit einem Beruf im Bereich der Informatik.

Doch wie erwähnt, die Olympischen Spiele, für die Seiler sich zu qualifizieren hofft, stehen momentan am Ende des Horizontes.

Man verzeihe die Plattitüde: Nathaniel Seiler wird seinen Weg schon gehen.